Vom Alltag inspiriert - Die Meisterklasse Susanne Hauenstein stellt aus

Ein Interview mit Susanne Hauenstein

Seit 2019 bietest Du eine einjährige Meisterklasse an. Was kann man darunter verstehen? So schnell wird man doch nicht Meisterin oder Meister…?
Natürlich nicht, das zu glauben wäre naiv und das tun die Teilnehmenden auch nicht. Eine Meisterklasse besteht jeweils aus 5 x 3 Tagen. Eigentlich ist es eine „erweiterte Lehrzeit“, die ich hiermit anbiete und für die man sich Jahr für Jahr wieder neu – oder auch zum ersten Mal - entscheiden kann. Den Begriff der Meisterklasse habe ich übernommen, da er für weiterführende Lehrangebote von gehobenem Niveau heute gerne verwendet wird. „Denn vergessen Sie nicht, daß die Kunst nur ein Weg ist, nicht ein Ziel“, hat Rilke gesagt. So ist es auch mit den Meisterklassen. Die Teilnehmenden haben für sich diesen Weg der Kunst eingeschlagen. Ob sie einmal als Meisterinnen oder Meister daraus hervorgehen wird sich zeigen. Das liegt nicht in meiner Hand. Ich tue mein Bestes, um sie auf ihrem Weg ein Stück weit zu begleiten und dabei zu fördern. Mehr geht nicht.


Teilnehmen können aber nur Absolventen Deiner Grundausbildung MALEREI, oder?

Vorerst ist das so gedacht, ja. Sollten in einer Klasse allerdings noch ein Platz frei sein und jemand würde gerne mitmachen, der oder die über gute Grundlagen im Malen und Zeichnen verfügt, so läßt sich durchaus darüber reden. Denn entscheidender als die Grundausbildung Malerei bei mir gemacht zu haben ist letztlich, wie intensiv sich die Teilnehmenden bereits auf den Prozeß des Malens und/oder Zeichnens eingelassen haben und weiter einlassen wollen. Eine Meisterklasse funktioniert umso besser, je engagierter alle mit dem Jahresthema umgehen -  und das natürlich auch in der Zeit zwischen den gemeinsamen Maltagen.


Wie waren die Erfahrungen Deiner ersten Meisterklassen?

In 2019 – dem Pilotjahr, wenn man so will - gab es 2 Klassen mit je 4 Teilnehmerinnen, die – trotz der absolvierten Grundausbildung Malerei - sehr unterschiedliche Voraussetzungen mitbrachten. Da gab es die, die seither auf dem Weg der Malerei beständig weiter gegangen sind und die, die hofften wieder mehr den Einstieg zu finden. Das ist nicht in allen Fällen gleich gut gelungen, da oft nicht bedacht wird, daß auch ein zeitlicher Einsatz erforderlich ist, wenn künstlerische Qualität angestrebt wird.

Verstehst Du Dich denn selbst als Meisterin?

Nein, überhaupt nicht, auch ich selbst befinde mich auf diesem Weg. Auch ich selbst möchte noch so viel mehr lernen und vertiefen! Auch ich weiß noch nicht, wohin der Weg, die Kunst mich noch führen wird. Immer offen zu bleiben und mir die Abenteuerlust zu bewahren, das ist mir wichtig. Ich hoffe, das hält meinen Geist lebendig genug, um mich vor dem Irrglauben zu bewahren, ich wüßte und könnte bereits alles.

Tust Du nicht…? Auch nicht das, was Du unterrichtest?
Sagen wir mal so: Ich bin den Kunst-Weg einfach schon länger und intensiver gegangen als meine Schülerinnen und Schüler. Und ich habe Kunst studiert. Man könnte auch sagen, ich habe schon mehr falsch gemacht als sie und habe entsprechend mehr als sie aus Fehlern lernen können. Ich male jetzt seit über 40 Jahren und unterrichte seit gut 20 Jahren als freie Dozentin. Das verschafft mir einen gewissen Vorsprung. Mehr ist das ja nicht. Schließlich haben schon einige sehr begabte und engagierte Malerinnen und Maler durch die Ausbildung bei mir profitiert und sind mittlerweile richtig gut geworden, bekommen echte Anerkennung.

 

Das macht Dich stolz...

Absolut! Dann hat es doch Sinn was ich mache.

Merkt man Deinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern die „Schule Hauenstein“ an?

Ich hoffe nur insofern, als daß man es nicht merkt! Ich wollte nie „kleinen Hauensteins“ produzieren, auch wenn man natürlich immer seine Spuren hinterläßt, wenn man pädagogisch arbeitet. Ich staune viel lieber über die Vielfalt, die meine Schülerinnen und Schüler in sich tragen und bin glücklich, wenn ich „Hebamme“ sein und ich bei der Geburt dieser Vielfalt behilflich sein darf und am Ende was Gutes dabei herauskommt.


Ich vermute mal, das sieht man auch in der Ausstellung am 22. und 23. Februar?

Ich denke schon. Von den acht Teilnehmerinnen der Meisterklassen von 2019 stellen fünf Malerinnen ganz unterschiedliche Werke  aus. Weil sie sich auf ganz unterschiedliche Art und Weise mit dem Thema „Inspiration Alltag“ beschäftigt haben. Ich habe zu Anfang nur einige Impulse gesetzt, - die waren wie Steine, die man ins Wasser wirft. Die „Wellen“ haben sich dann in den Köpfen und im Unbewußten der Malerinnen verstärkt und frei gesetzt, was sich eh schon nach Ausdruck und Sichtbarkeit gesehnt hatte. - Zumindest bei denjenigen, die zeitlich auch zwischen den Modulen dran bleiben konnten und nicht vom Leben davon abgehalten wurden.

Das ganze Meisterklassen-Jahr 2019 habt Ihr also mit dem Thema „Inspiration Alltag“ gearbeitet, so ja auch der Titel der Ausstellung…

Das Thema ist einfach ideal, denn „Alltag“ umgibt uns ja ständig und überall. Hier findet jede und jeder ihre bzw. seine persönlichen Herausforderungen. Hier ist der Blumenstrauß, den ich mir auf den Tisch stelle, um mir etwas Gutes zu tun, dort das Durcheinander auf der Anrichte in der Küche, das mich aufregt, - bis ich plötzlich auch darin geheimnisvolle Welten und eine Inspiration für meine Malerei entdecke, wie es z.B. bei Claudia Groß der Fall war. Bei Angela Sandl waren es über viele Wochen die Tüten. Margit Ingenfeld war u.a. ganz fasziniert von einem kleinen Wespennest, das im Sommer plötzlich auf dem Boden bei ihrer Garage lag und so begann sie sich u. a. mit seiner Struktur zu beschäftigen. Gabi Fordermair arbeitet viel im Garten und kam so auf das Thema „Samen und Kerne“ und Petra Wiedemann’s Kompositionen sind im Spiel mit alten Stoffresten entstanden, die sie noch zuhause hatte. Auch ich selbst verwende gerne Materialien des Alltags, die ich in Mischtechniken bevorzugt zu klassischen, abstrakten Kompositionen verarbeite. Außerdem hatte ich 2019 in unserem „Kunst am Berg“  ja bereits den „Nudelvorhang“ gezeigt, eine meiner eigenen Arbeiten zum Thema, eine Hommage an Martin Kippenberger.

Bist Du als Ausstellende selbst jetzt auch wieder mit dabei?

Am Rande, ja. Ich öffne auch dieses Mal mein Lager, meine „Schatzkammer“ und präsentiere dort einige Werke, die ich ebenfalls der „Inspiration Alltag“ verdanke.

Ein Thema, das Dich offensichtlich so begeistert, daß Du es für die neue Meisterklasse ab März 2020 auch gleich wieder gewählt hast…

Ja, aber es war eigentlich Angela, die sich das gleiche Thema noch einmal wünschte – weil es natürlich noch lange nicht ausgeschöpft ist!

 

Das Interview führte Frida Schour-Naljée für "Kunst am Berg"